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Reformvorschlag: Bundesnetzagentur will Netzentgelte für Industrie verbrauchsabhängig flexibilisieren

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Bonn - Mit der Transformation des Energiesystems im Zuge der Energiewende ist ein tiefgreifender Wandel der Stromerzeugerlandschaft verbunden. Damit gehen veränderte Anforderungen im Netzbetrieb einher. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) setzt vor diesem Hintergrund bei den Netzentgelten auf eine Neubewertung der Anreize.

Die Bundesnetzagentur hat ein Eckpunktepapier veröffentlicht, in dem sie die Regelung zu den Netzentgelten für Industriekunden weiterentwickelt. Das Eckpunktepapier ist Teil eines Festlegungsverfahrens, das die Bundesoberbehörde gestern (24.07.2024) ebenfalls eingeleitet hat. In dem Papier schlägt die BNetzA eine Regelung vor, die für stromintensive Betriebe einen Anreiz schafft, durch eine verbrauchsabhängige Flexibilisierung dynamisch auf die aktuelle Erzeugungssituation zu reagieren.

Anpassung der Stromabnahme an aktuelle Preisentwicklung - Regionale Ausnahmen und Übergangsregelungen
Die BNetzA sieht in dem vorgelegten Eckpunktepapier im Grundsatz eine Stärkung des Marktsignals anhand der Netzentgelte vor. Eine Netzentgeltprivilegierung soll demnach grundsätzlich erhalten, wer in Zeiträumen besonders niedriger Preise seine Abnahme im Vergleich zu seinem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich erhöht und in Zeiten besonders hoher Preise seine Abnahme im Vergleich zu seinem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich senkt. Die genaue Austarierung des Anreizmechanismus wird laut BNetzA von den technischen Möglichkeiten der Industrie abhängen, Mengen- und Preisentwicklungen zu prognostizieren und flexibel darauf zu reagieren.

In Regionen mit einer geringen dezentralen Einspeisung aus Erneuerbaren entstehen Engpässe eher lastbedingt. Hier können Reaktionen auf das Marktsignal mitunter auch engpassverschärfend wirken. Die BNetzA will daher diskutieren, ob und wie regionale Ausnahmen geschaffen werden können, bis der Netzausbau einen Stand erreicht, der eine Stärkung des Marktsignals bundesweit ermöglicht.

Bestehende Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte sollen nicht unmittelbar ihre Wirkung verlieren. Es ist vorgesehen, den Unternehmen Übergangsfristen zu gewähren, die eine Umstellung der Produktion und die Realisierung von Flexibilitätspotentialen ermöglichen.

„Wir wollen zukünftig systemdienliches Verbrauchsverhalten der Industrie besonders anreizen. Industrie und Gewerbe sollen reduzierte Netzentgelte zahlen, wenn sie in Situationen mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen. Andersherum erhalten sie auch dann eine Reduktion der Netzentgelte, wenn sie in Zeiten eines knappen Stromangebots weniger Strom verbrauchen“, kommentiert BNetzA-Präsident Klaus Müller den Vorschlag seiner Behörde.

Konsultation des Eckpunktepapiers
Die Bundesnetzagentur sucht nun den Austausch mit der Branche, um die genannten Ziele zu erreichen. Die Konsultation erfolgt bis zum 18.09.2024. Die Regelung soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Das Eckpunktepapier ist auf der Webseite der BNetzA abrufbar.

Hintergrund zu den Netzentgelten in der Industrie
Die Stromnetzentgelte beinhalten verschiedene Privilegierungstatbestände für Industrie und Gewerbe, die ein bestimmtes Verhalten anreizen. Bei der sogenannten atypischen Netznutzung zahlen industrielle und gewerbliche Letztverbraucher ein reduziertes Entgelt, wenn ihre Jahreshöchstlast von der Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz abweicht. Hierdurch sollte die erforderliche Netzdimensionierung begrenzt werden. Dagegen hat die Bandlast den Zweck, eine konstant gleichbleibende Grundlast stromintensiver Letztverbraucher anzureizen.

Durch die Sondernetzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV erzielen im Jahr 2024 rund 400 Bandlastkunden und rund 4.200 atypische Netznutzer in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur insgesamt Netzentgeltreduzierungen von über 1 Mrd. Euro. Die den Netzbetreibern in der Folge entgehenden Erlöse werden durch eine Umlage an alle Netznutzer gewälzt. Diese beträgt im laufenden Jahr 0,643 ct/kWh.

Die Effektivität einer Privilegierung einer atypischen Netznutzung hat sich in Netzen mit einer hohen Durchdringung an erneuerbaren Energien stark geschmälert. Zusätzlicher Netzausbau wird hier nicht primär durch die Last-, sondern durch die Einspeiseseite verursacht. Dementsprechend führen Verlagerungen der individuellen Jahreshöchstlast hier nicht zu Kosteneinsparungen.

Die Bandlastprivilegierung hat unter den geänderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Berechtigung in der derzeit bestehenden Form größtenteils eingebüßt und setzt aus Sicht der BNetzA Fehlanreize. Unflexibles Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch zunehmend nachteilhaft und kann die Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt hemmen. Auch kann unflexibles Lastverhalten Situationen kritischer Netzzustände verschärfen. Gleichzeitig können dynamische Reaktionen auf die Einspeisesituation, insbesondere durch stromintensive Industriebetriebe, einen erheblichen systemdienlichen Beitrag leisten.

© IWR, 2024


25.07.2024

 



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